Leitlinien
Leitlinie für die Radiosynoviorthese
J. Farahati, Chr. Reiners, M. Fischer, G. Mödder, C. Franke, J. Mahlstedt, H. Sörensen
Die Leitlinie wurde erarbeitet auf einem Workshop des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin am 01.11. 1997 in Würzburg mit Unterstützung von M. Darrelmann und W.-G. Franke und bearbeitet von der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (M. Backhaus, W. Seidel).
J. Farahati, Chr. Reiners, M. Fischer, G. Mödder, C. Franke, J. Mahlstedt, H. Sörensen
Die Leitlinie wurde erarbeitet auf einem Workshop des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin am 01.11. 1997 in Würzburg mit Unterstützung von M. Darrelmann und W.-G. Franke und bearbeitet von der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (M. Backhaus, W. Seidel).
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- Definition
Synoviorthese ist hergeleitet von den griechischen Wörtern ,,Synovia" (Schleimhaut) und ,,Orthese« (Wiederherstellung). Gemeint ist eine weitgehende Wiederherstellung der ursprünglichen Gelenkinnenhaut durch lokale Strahlenanwendung.
- Prinzip
Durch die intraartikuläre lnjektion eines geeigneten Radionuklids werden die entzündliche Synovialis bestrahlt und oberflächliche hypertrophierte Schichten zerstört, ohne das Knorpelgewebe zu schädigen. Die Bestrahlung bleibt überwiegend auf die Synovialis beschränkt, da die verwendeten Radionuklide-Strahlung emittieren, die eine maximale Reichweite von wenigen Millimetern aufweist. Das in kolloidaler Form applizierte Radionuklid wird von den oberflächlichen Synovialzellen phagozytiert und führt dort zu einer Strahlenreaktion mit Nekrosen und im weiteren Verlauf zu einer Fibrosierung und Sklerosierung der Synovialis mit Rückgang der Proliferation und der Entzündung der Gelenkinnenhaut. Die in der Synovialis erzielte Herddosis ist abhängig von der applizierten Aktivität, Energie und der Halbwertszeit der verwendeten -Strahler. Um eine adäquate Dosis in Abhängigkeit von der Dicke der Synovialis zu erreichen, werden unterschiedliche Radionuklide eingesetzt (Tab. 1). Die Höhe der Aktivität des radioaktiven Arzneimittels bei intraartikulärer Injektion richtet sich nach der Größe des Gelenkes und dem Ausmaß der entzündlichen Aktivität, die klinisch und ggf. mit ergänzenden Verfahren zu beurteilen ist.
Radionuklid Halbwertzeit (h) Max. Energie der Beta-Strahlung (MeV) Penetration (mm) (mittl. / max.) Gelenke Empfohlene Aktivität (MBq) Intervall zur Re - RSO (Monate) Yttrium-90 (Zitrat / Silikat) 64 2,27 3,9 / 11 Knie 185- 275 6 Rhenium-186 (Kolloid / Sulfid) 89 1,07 1,2 / 3,7 Hüftgelenk
Schulter
Ellbogen
Hangelenk
OSG, USG110 -185
110 -185
74 -111
37 - 92
74-746 Erbium-169 (Zitrat) 226 0,34 0,3 / 1,0 MCP, MTP, PIP, DIP 18,5 -37
9 - 18,56 Tab. 1: Eigenschaften der Radionuklide, die zur Radiosynoviorthese (RSO) verwendet werden (1 - 3, 11)
OSG: oberes Sprunggelenk, USG: unteres Sprunggelenk, MCP: Metatcarpophalangealgelenk, MTP: Metatarsophalangealgelenk, PIP: proximales Interphalangealgelenk, DIP: distales Interphalangealgelenk
- Notwendige prätherapeutische Untersuchungen
- Anamnese und klinischer Befund
- Sonographie des Kniegelenkes zum Ausschluß einer rupturierten Poplitealzyste und ggf. zum Nachweis eines Gelenkergusses und Bestimmung der Synovialisdicke
- Aktuelles (max. sechs Monate altes) Röntgenbild des zu behandelnden Gelenkes in zwei Ebenen (u. a. zum Ausschluß von Knochentumoren)
- Anamnese und klinischer Befund
- Ergänzende Untersuchungsverfahren (strenge Indikationsstellung)
Hier werden Untersuchungsverfahren eingeschlossen, die im Einzelfall zur besseren Einordnung des Krankheitsbildes, der Beurteilung der übrigen befallenen Gelenke, der Gelenkanatomie oder der Entzündungsaktivität nützlich sind.
- Konventionelle Röntgendiagnostik
- Sonographie weiterer Gelenke
- Skelettszintigraphie in Zwei-Phasen-Technik
- ggf. MRT
- Konventionelle Röntgendiagnostik
- Indikationsstellung
Chronische Synovialitis mit rezidivierenden Gelenkergüssen bei:
- Rheumatoider Arthritis
- Seronegativer Spondylarthropathie
- Aktivierter Arthrose
- Kristallarthropathie
- Villonodulärer Synovitis
- Arthropathie bei Hämophilie
- Nach arthroskopischer Synovektomie
Der Nuklearmediziner (Fachkunde nach Strahlenschutzverordnung vom Juni 1993 erforderlich) trägt die Verantwortung für die Radiosynoviorthese.
- Rheumatoider Arthritis
- Kontraindikationen
- Absolut
- Schwangerschaft, Laktation
- Massiver Hämarthros
- Lokale Infektionen und Hauterkrankungen in der Umgebung der Injektionsstelle
- Rupturierte Poplitealzyste
- Schwangerschaft, Laktation
- Relativ
- Patienten unter 20 Jahren
- Weitgehende Gelenkinstabilität mit Knochendestruktion
- Patienten unter 20 Jahren
- Absolut
- Aufklärung und Einverständniserklärung
Der Patient oder die Patientin muß vor der Therapie aufgeklärt werden über
- das Behandlungsverfahren und die Nebenwirkungen einer Radiosynoviorthese einschließlich einer intraartikulären Punktion und Injektion und
- die Notwendigkeit der Ruhigstellung des zu behandelnden Gelenkes. Die Aufklärung und die Einverständniserklärung müssen schriftlich dokumentiert werden.
- das Behandlungsverfahren und die Nebenwirkungen einer Radiosynoviorthese einschließlich einer intraartikulären Punktion und Injektion und
- Technische Voraussetzungen
- Strahlenschutz (5)
- Umgangsgenehmigung für die verwendeten Nuklide
- Überwachung auf Kontamination
- Lagerung der Nuklide und Abfallbeseitigung
- Strahlenschutzüberwachung, ggf. Fingerringdosimeter
- Umgangsgenehmigung für die verwendeten Nuklide
- Behandlungsräume (4, 5)
- Die Behandlung darf nur in von der Aufsichtsbehörde zugelassenen Räumen durchgeführt werden (Kontrollbereich).
- Intraartikuläre Punktionen dürfen nur unter Einhaltung der »hygienischen Anforderungen an Behandlungsräume« durchgeführt werden.
- Räume und Einrichtungen bedürfen regelmäßiger Reinigung und Desinfektion.
- Die Anzahl der Personen im Behandlungsraum ist auf das Notwendige zu beschränken.
- Die Behandlung darf nur in von der Aufsichtsbehörde zugelassenen Räumen durchgeführt werden (Kontrollbereich).
- Strahlenschutz (5)
- Vorbereitung des Patienten
- Desinfektion der Punktionsstelle
- Hygienische Händedesinfektion, sterile Handschuhe
- Verwendung steriler Einmalkanülen und steriler Einmalspritzen
- Desinfektion der Punktionsstelle
- Vorbereitung der Aktivität
- Aktivitätsmessung bzw. Berechnung der Aktivität über das Volumen
- Verwendung einer Spritzenabschirmung (z.B. Plexiglas)
- Aktivitätsmessung bzw. Berechnung der Aktivität über das Volumen
- Praktische Durchführung
- Grundsätzlich kann eine Radiosynoviorthese ambulant durchgeführt werden. In Fällen, in denen eine Ruhigstellung des behandelten Gelenkes nicht sichergestellt werden kann, sollte die Therapie stationär erfolgen.
- Die Injektion des Nuklids ist erst nach Sicherstellung der intraartikulären Lage der Nadel (in der Regel unter Durchleuchtung) durchzuführen.
- Nachspülen der Injektionsnadel bei großen und mittelgroßen Gelenken mit physiologischer Kochsalzlösung zur besseren intraartikulären Nuklidverteilung und zur Vermeidung von Aktivitätsverschleppung in den Stichkanal
- Bei großen und mittelgroßen Gelenken können Kortikosteroide verwendet werden.
- Abdecken der Injektionsstelle mit sterilem Wundschnellverband nach Injektion
- Grundsätzlich kann eine Radiosynoviorthese ambulant durchgeführt werden. In Fällen, in denen eine Ruhigstellung des behandelten Gelenkes nicht sichergestellt werden kann, sollte die Therapie stationär erfolgen.
- Ruhigstellung
Um ein Abströmen der Aktivität über die Lymphbahnen zu verhindern, muß aus strahlenhygienischer Sicht das behandelte Gelenk z.B. mit Hilfe einer Schiene oder eines Tutors für mindestens 48 Stunden immobilisiert werden. Strenge Bettruhe ist nicht erforderlich.
- Verteilungsszintigraphie
Nach Applikation von offenen Radionukliden muß mit einer Gammakamera die regelrechte intraartikuläre Nuklidverteilung (mit Ausnahme von Erbium-169-Zitrat) dokumentiert und eine extraartikuläre Nuklidverteilung ausgeschlossen werden.
- Nebenwirkungen
- Gelegentlich kommt es nach intraartikulärer Injektion des radioaktiven Arzneimittels zu einer schmerzhaften entzündlichen Reaktion in den behandelten Gelenken.
- Selten kann es bei nichtintraartikulärer Nuklidinstillation zu periartikulären Nekrosen kommen.
- In Einzelfällen ist eine fieberhafte Reaktion nach der Injektion des radioaktiven Arzneimittels beobachtet worden. Vereinzelt kann ein Lymphödem der behandelten Extremität auftreten.
- Gelegentlich kommt es nach intraartikulärer Injektion des radioaktiven Arzneimittels zu einer schmerzhaften entzündlichen Reaktion in den behandelten Gelenken.
- Strahlenexposition
Eine genaue Dosimetrie ist nicht möglich. Die absorbierte Dosis ist nicht nur abhängig von dem verwendeten Radionuklid und der applizierten Aktivität, sondern auch von der intraartikulären Nuklidverteilung und der Synovialisdicke. Die adäquate Aktivität für die Radiosynoviorthese verschiedener Gelenke wird daher empirisch ermittelt (6).
- Nachsorge
Der behandelnde Arzt muß sich über die Ergebnisse der von ihm durchgeführten Radiosynoviorthese informieren. Die Nachsorge erfolgt in Zusammenarbeit mit einem rheumatologisch versierten Arzt (in der Regel internistischer oder orthopädischer Rheumatologe).
- Der Patient soll dazu angehalten werden, bei vermehrten Beschwerden im behandelten Gelenk unverzüglich den behandelnden Nuklearmediziner oder dessen Vertreter aufzusuchen.
- Im Notfall sollte die behandelnde Einrichtung für den Patienten erreichbar sein.
- Eine ambulante Nachschau zur Beurteilung von Nebenwirkungen sollte 4-6 Tage nach der Therapie durchgeführt werden.
- Die ambulante Kontrolluntersuchung zur Beurteilung des Therapieerfolges sollte 4-6 Monate nach der Therapie erfolgen.
- Der Patient soll dazu angehalten werden, bei vermehrten Beschwerden im behandelten Gelenk unverzüglich den behandelnden Nuklearmediziner oder dessen Vertreter aufzusuchen.
- Ergebnisse
Wegen protrahierter Wirkung ist der Therapieerfolg erst nach Monaten zu beurteilen. Eine homogene Nuklidverteilung vorausgesetzt, ist die Erfolgsquote der Radiosynoviorthese hoch, während bei fortgeschrittenen Gelenkveränderungen, die eine inhomogene Nuklidverteilung verursachen, die Erfolgsrate reduziert sein kann (9-10). Je nach Gelenkzustand sind nach der Radiosynoviorthese bei 40-80% der Patienten innerhalb von 3-4 Monaten eine subjektive Verbesserung sowie ein Rückgang der entzündlichen Symptome - wie Schmerzen und Schwellung - zu erwarten (7, 8).
Literatur
- Monographie 90Y(Yttrium). Bundesanzeiger Nr.149, 1990; 149: 4069.
- Monographie 186Rh-Sulfid. Bundesanzeiger 1993; 102: 5130.
- Monographie 169Er-Zitrat. Bundesanzeiger 1993; 89: 4460.
- Qualitätssicherung in der Rheumatologie. Hrsg: Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Kommission für Qualitätssicherung. Darmstadt: Steinkopff Verlag 1997.
- Kemmer W. Die Neufassung der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin. Berlin: H. Hoffmann GmbH Verlag 1992.
- Ingrand J. Characteristics of radio-isotypes for intraarticular therapy. Ann Rheum Dis 1973; 32: 3-9.
- Menkes CJ. Is there a place for chemical and radiation synovectomy in rheumatic diseases? Rheumatol Rehabil1 979; 18: 65-77.
- Mödder G. Die Radiosynoviorthese. Meckenheim: Warlich Druck und Verlagsges. mbH 1995.
- Rau R, Schütte H. Ergebnisse der Radiosynoviorthese mit Yttrium-90 bei chronischen Synovitiden - Eine prospektive Langzeituntersuchung. Teil I. Z Rheumatol 1983; 42: 265-70.
- Schütte H, Rau R. Ergebnisse der Radiosynoviorthese mit Yttrium-90 bei chronischen Synovitiden - Eine prospektive Langzeituntersuchung. Teil II. Z Rheumatol 1983; 42: 271-9.
- Savaser AN, Hoffmann K-T, Sörensen H, Banzer DH. Die Radiosynoviorthese im Behandlungsplan chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen. Z Rheumatol 1999; 58: 1-8.
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